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aus mare
No.2 Juni/Juli 1997
Von Frank J. Jochem
er Niedergang von HowardGlasgow vollzog sich langsam. Es gab frühzeitige, deutliche Hinweise - hämmernde Kopfschmerzen, Phasen mentaler Verwirrung -, doch so sporadisch,daß sie eher rätselhaft blieben. Achtzig bis hundert Stunden in der Woche,die er im Labor verbrachte, ließen seine Symptome als Überarbeitungerscheinen. Doch im Herbst 1993 wußte seine Frau Aileen, daß irgend etwas im Gange war. Die Vergeßlichkeit des 37jährigen Wissenschaftlers der North Carolina State University in Raleigh nahm bedenkliche Ausmaße an. Sagte sie ihrem Mannam Morgen, er möge Milch mitbringen, so hatte er am Abend nicht nur die Milch vergessen, er konnte sich nicht einmal an ihr Gespräch erinnern. Doch noch beängstigender waren seine Wutausbrüche. Eines Nachts, so erinnert sich Aileen Glasgow, kam Howard nach Hause und weckte sie in ungehaltener Wut überein „nicht ordnungsgemäß aufgewickeltes“ Kabel des Staubsaugers im Schrank.„Nicht daß er darüber gestolpert wäre, es hatte ihn einfach nur gestört.“ Am nächsten Morgen konnte sich Howard an nichts erinnern. Einmonatelanger Albtraum begann. Howard litt an permanenten Kopfschmerzen und Schwindel. Dann kamen die Hautinfektionen, tiefe, offene Wunden von zwei Zentimetern Durchmesser. Zuerst waren es nur einzelne, auf Händen und Armen, die nur langsam ausheilten, um durch neue ersetzt zu werden.Dann zogen sie sich über seinen ganzen Körper. Der Verlust seinesKurzzeitgedächtnisses weitete sich aus, seine mentalen Fähigkeiten sanken und seine Gemütsschwankungen nahmen zu. Die Ärzte waren ratlos. Man vermutete einen Gehirntumor oder Alzheimer, aber die klinischen Tests widerlegten dies. Auch bei seiner Arbeit wurde Howard, geschätzt als umsichtiger und gewissenhafterWissenschaftler, zunehmend schlampig, mürrisch, sarkastisch - und unzuverlässig. Gemeinsam mit JoAnn Burkholder, Professorin für Botanik, arbeitete er an der Erforschung eines mysteriösen, neuen, einzelligen Organismus, den sie entlang der Küste North Carolinas entdeckt hatten. JoAnn Burkholder kam eher zufällig als willentlich in diese Forschung, als sie vor neun Jahren einen Anruf von Doktor Ed Noga, einem Kollegen des Veterinärmedizinischen Institutes der State University erhielt. Eines Morgens entdeckten Doktor Noga und sein Student, daß alle Fische in ihren Versuchstanks gestorben waren. Setzten sie neue Fische hinzu, so starben auch diese in nur wenigen Minuten. Zuerst waren sie träge und desorientiert, dann wie in Panik, und wenn sie starben, lösten sich große Streifen ihrer Haut. Der einzige Hinweisauf die Ursache des Fischsterbens: ein bräunlicher Nebel im Wasser. |