JoAnn Burkholder verfolgte den Verfall
des von ihr so hoch geschätzten Mitarbeiters und Freundes seit langem
mit großer Sorge. Mit der Zeit erkannte sie, daß die Symptome
denjenigen ähnelten, die sie selber zu Beginn ihrer Arbeit mit Pfiesteria
erlitten hatte. Aufgrund ihrer Erfahrungen mußten die Arbeiten mit
Pfiesteria Ende 1991 eingestellt werden, und die NC State University stellte
65000 Dollar bereit, um ein Sicherheitslabor für weitere Arbeiten
zu errichten. In einer entlegenen Ecke des Campus wurde ein Laborcontainer
errichtet, der im Inneren in eine „heiße“ Zone für Arbeiten
mit offenen Pfiesteria-Kulturen und eine „kalte“ Zone aufgeteilt war. Die
Luft sollte nur von der kalten in die heiße Zone strömen, und
Ventilatoren sollten für einen zwölfmaligen Luftaustausch in
jeder Stunde sorgen.
Kontakt mit dem Gift
durch Fehlinstallation im Sicherheitslabor
Erst Ende 1993, nach dem nahezu völligen
Zusammenbruch Howard Glasgows, offenbarte sich JoAnn die schlimmste Erkenntnis
während ihrer Arbeit mit der Giftalge. Durch eine falsche Installation
des Abluft-
systems strömte die Luft aus der
heißen Zone in die Klimaanlage der kalten Zone; über Monate
wurde Howard an seinem Schreibtisch in der kalten Zone direkt mit den Giftgasen
der Pfiesteria-Kulturen überströmt. Der direkte Zusammenhang
seiner Krankheit mit den Pfiesteria-Toxinen war erstellt.
Nach der Arbeit mit offenen
Kulturen machte Howard Glasgow seine Erfahrungen mit dem Gift des Fischkillers.
Die Zeitung bestand für ihn nur noch aus Hieroglyphen, und an manchen
Tagen mußte er an sich herunterschauen, um sich zu erinnern, was
er am Morgen angezogen hatte
JoAnn und Howard hatten es nicht einfach,
die Wissenschaftsgemeinde von der Existenz Pfiesterias und ihrer Toxizität
zu überzeugen. Nicht nur war deren einzigartiger Lebenszyklus so unglaublich.
Giftige Algenblüten waren zwar seit langem bekannt. Mehr als fünfzig
Arten sind als toxisch für Fische, Muscheln und gar den Menschen beschrieben.
Etwa zweitausend Menschen ereilt alljährlich das Unglück, mit
Algentoxinen vergiftete Fische oder Muscheln zu essen. Die Auswirkungen
der Toxine können von Schwindel und Durchfall bis zu Gehirnschäden
und zum Tod führen. Daß ein algenartiger Organismus aggressives
Gift ins Wasser entläßt, war jedoch bislang unbekannt; daß
er es gar zur gezielten „Jagd“ auf Fische tut, schlicht undenkbar.
Die Skepsis zahlreicher Kollegen ließ
sich erst lange, nachdem JoAnn ihre Erkenntnisse auf internationalen Fachtagungen
bekannt machte, ausräumen, als die als Dinoflagellaten-Spezialistin
international geachtete Karen Steidinger sich bereit erklärte, nach
Raleigh zu kommen. Selbst mehr als skeptisch, war Steidinger um so überraschter,
als sie Pfiesteria und ihren ungezügelten Appetit auf F(r)ischfleich
direkt unter dem Mikroskop beobachten konnte. Erst danach gelang es JoAnn,
ihre Ergebnisse in dem geachteten britischen Fachjournal „Nature“ zu veröffentlichen.
Doch damit fingen JoAnns Probleme erst
an: „Hätte ich Ruhm und Anerkennung gesucht, so hätte ich niemals
in diese Geschichte einsteigen sollen.“ Der wissenschaftliche Neid Doktor
Nogas, der, als Fisch-
pathologe gänzlich unerfahren mit
Algen, JoAnn in die Untersuchungen gedrängt hatte und nun selbst den
„Entdecker“-Ruhm in Anspruch nahm, JoAnn weitere Publikationen unter ihrem
Namen verbieten wollte, war dabei eines der kleineren Probleme. |