Zur selben Zeit, als sie den Zusammenhang
zwischen Howard Glasgows Leiden und seiner Arbeit mit Pfiesteria erkannte,
begann JoAnn, Fischer entlang der Küste North Carolinas zu Fischsterben
zu befragen. Sie stieß auf Schweigen und die Verängstigung,
Käufer ihrer Fische zu verschrecken - mit gutem Grund: Eine sechsmonatige
Schließung der Fischgründe und Muschelbänke durch das staatliche
Gesundheitsamt wegen einer sogenannten „red tide“, einer Blüte eines
anderen toxischen Dinoflagellaten, forderte bereits 1987 den Preis eines
Einkommensverlustes von 26 Millionen Dollar.
Doch nach und nach kamen Fischer und berichteten
von Hautreizungen und Brennen in den Augen, offenen Wunden an Händen
und Armen, Schwindel, mentaler Umnebelung und Gedächtnisverlust, nachdem
sie während eines Fischsterbens auf dem Wasser waren. Wiederholt unterrichtete
JoAnn die staatlichen Gesundheits- und Umweltbehörden. „Ich dachte
wirklich, die wollten es wissen. Ich war so naiv“, sagt sie mit Verbitterung.
Denn was danach kam, hätte sie sich nicht vorgestellt.
David Jones hebt seine Hand und starrt
auf die Palme in seinem spärlich eingerichteten Wohnzimmer, dreißig,
vierzig Sekunden vielleicht, zurückgezogen irgendwo, wohin ihm keiner
folgen kann. Dann plötzlich scheint er zu erwachen und setzt seinen
zuvor begonnenen Satz fort, mit leiser, schleppender Stimme. David Jones
ist Fischer in der dritten Generation auf dem Neuse. Schon seit zehn und
mehr Jahren, berichtet er, hatte er offene Wunden und plötzlichen
Schwindel erfahren während seiner oft zwölfstündigen Arbeit
auf dem Fluß. Auch während eines Fischsterbens Ende der achtziger
Jahre war David auf dem Neuse: „Es war ein heißer, schwüler
Tag. Beim Einholen der Netze spritzte mir Wasser in die Augen. Die begannen
sofort zu brennen. Und dann wurde mir schlecht - ich meine, richtig schlecht.“
Wieder stockt David, muß versuchen, sich daran zu erinnern, worüber
er gerade sprach. „Schweißausbrüche, Übelkeit. Instinktiv
legte ich meine Sicherheitsleine an; zum Glück, denn kurz darauf ging
ich über Bord. Als ich wieder an Bord war und wieder klar denken konnte,
war ich mehr als eine Meile abgetrieben.“ Für Donald Schmechel, Neurologe
der Duke University in Raleigh, ist David Jones der gravierendste Fall
von „Pfiesteriosis“, so seine Diagnose. David ist ein Mann, der nicht über
harte Arbeit, nicht über sein Schicksal klagt. „Aber ich fühle
mich betrogen... ich fühle mich wie... weil niemand mich gewarnt hat.“
Seit jenem Tag war er nie wieder auf dem Fluß.
Fische sterben binnen Minuten
in Pfiesteria-verseuchtem Wasser,
offene Wunden sind ein typisches
Indiz
Trotz ihrer Dokumentation des Zusammenhanges
zahlreicher Fischsterben mit dem Auftreten von Pfiesteria zwischen 1991
und 1993 teilten die staatlichen Behörden JoAnn mit: „Untersuchungsserien
von mindestens zehn Jahren wären nötig, um regulatorische Maßnahmen
erwägen zu können.“ Über fünf Jahre weigerten sich
die Behörden, Pfiesteria als Fischkiller anzuerkennen oder Daten über
ihre Verbreitung in Daten-
banken aufzunehmen. Offiziell existierte
Pfiesteria nicht, und die Behörden waren unermüdlich in ihrem
Bestreben, nicht über Pfiesteria zu reden. Als die Fischsterben immer
größere Ausmaße annahmen und die Strände mit toten
Fischen mit offenen Wunden übersät waren, war es den Feldbiologen
der Umwelt-
behörde verboten, Pfiesteria zu erwähnen
oder eine Erkrankung der Fische einzugestehen - Ursache des Fischsterbens
sei lediglich eine zu geringe Sauerstoffkonzentration in den Gewässern.
Doch die wissenschaftlichen Beweise für
die wirkliche Ursache der Fischsterben wurden immer erdrückender,
und das Wort von Pfiesteria machte die Runde unter besorgten Bürgern,
auf öffentlichen Anhörungen und in der nationalen und internationalen
Presse. Unter diesem Druck begannen die staatlichen Behörden, die
wissenschaftliche Glaubwürdigkeit JoAnns zu diskreditieren. Es wurde
öffentlich geäußert, JoAnn habe ihre Ergebnisse erfunden
und in keiner wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht (ein Mit-
arbeiter der Umweltbehörde verwechselte
das geachtete britische Wissenschaftsjournal „Nature“ mit einem amerikanischen
Populärblatt gleichen Namens und hatte sich nie eine Kopie von JoAnns
Publikationen beschafft). |